Im ersten Beitrag unserer Kohlenhydratreihe ging es um den Kohlenhydratstoffwechsel, Kohlenhydrate in der täglichen Ernährung und die optimale Kohlenhydratzufuhr in den Tagen vor dem Wettkampf. Dieses Mal behandeln wir die Kohlenhydratzufuhr rund um die körperliche Belastung selbst. Wir geben euch Tipps wie ihr die Nahrungsaufnahme vor, während und nach der Belastung gestalten könnt, um besser zu performen und die Regeneration positiv zu unterstützen.
Kohlenhydratzufuhr vor der Belastung
Neben der Kohlenhydratzufuhr in der Basisernährung, stellt auch die unmittelbare Zufuhr vor der Belastung einen wichtigen Baustein für die optimale Leistungserbringung dar. Wichtig ist es Wettkämpfe niemals im nüchternen Zustand zu bestreiten. Auch ein Proteinriegel als Frühstück wird den Sportler/die Sportlerin am Tag X nicht unbedingt zu Höchstleistungen führen.
Ziel in der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung ist es sowohl die Leberglykogen- und Muskelglykogendepots aufzufüllen, als auch nicht mit Hunger in ein intensives Training oder einen Wettkampf zu starten.
Die Kohlenhydratspeicher in der Leber (ca. 100g) und in der Muskulatur (ca. 300-500g) sind bekanntermaßen limitiert. Die Muskelglykogenspeicher sollten vor intensiven Einheiten und Wettkämpfen immer gut gefüllt sein. Sofern man sich an die Empfehlungen in der Basisernährung hält, gegebenenfalls eine Form von Carboloading anwendet und die Speicher von der letzten intensiven Belastung schon wieder aufgefüllt hat, besteht keine Notwendigkeit extrem große Mengen an Kohlenhydraten zu konsumieren. Die Leberglykogendepots jedoch, können über Nacht signifikant an Größe verlieren. Aus diesem Grund ist es ratsam mindestens 100g Kohlenhydrate in der Vorwettkampfphase aufzunehmen. Je nach Dauer und Intensität werden in den letzten 2-4 Stunden vor dem Training oder Wettkampf 1-4g/kg Körpergewicht an Kohlenhydraten empfohlen.
Sehen wir uns an dieser Stelle einmal an wieviel man essen muss, um ca. 100g Kohlenhydrate aufzunehmen:
- 150g Nudeln (Trockenmasse)
- 125g Reis (Trockenmasse)
- 160g Haferflocken
- 4-5 Bananen
- 500g Erdäpfel
Die Empfehlung mindestens 2h vor der Belastung keine Hauptmahlzeiten zu sich zu nehmen kommt daher, dass es bei geringerem Abstand zu Unwohlsein während der Belastung kommen kann. Außerdem werden durch die hormonelle Antwort auf den Blutzuckeranstieg nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit vermehrt Kohlenhydrate verstoffwechselt. Der erhöhte Insulinspiegel geht mit einer verminderten Lipolyse und Fettoxidation einher.
Die TOPS/FLOPS in der unmittelbaren Vorbelastungsphase
TOP | FLOP |
---|---|
mager | fett |
ballaststoffarm | ballaststoffreich, blähend |
gekocht, gedünstet | roh, paniert, fritiert |
reif, geschält | unreif, ungeschält |
mild | scharf, würzig |
langsam essen/gut kauen | schnell essen |
Je nachdem welche Hauptmahlzeit vor dem Training oder Wettkampf liegt, macht es Sinn ein wenig auf den Appetit zu achten. Auch hier gibt es große individuelle Unterschiede. Der eine verträgt das besser und der andere das. Wichtig ist es wie immer, dass man alles vor den Wettkämpfen schon ausprobiert hat und in etwa weiß was man gut verträgt. Wenn man vor einem Wettkampf in einem Hotel übernachtet, sollte man trotzdem in der Früh nicht das ganze Buffet durchprobieren sondern auf Altbewährtes vertrauen. Im Notfall kann man ja auch sein eigenes Müsli mitnehmen.
Kohlenhydratzufuhr während körperlicher Belastung
Die Aufnahme von Kohlenhydraten vor und während der Belastung ist essentiell für eine optimale Performance am Wettkampftag. Auch an Tagen harten oder sehr langen Trainings dürfen diese Phasen nicht unterschätzt werden.
Warum sollte ich also währenddessen Kohlenhydrate zuführen?
- Schonung der Glykogenspeicher
- zusätzliche Kohlenhydratquelle (abgesehen von den Speichern)
- einem zu starken Absinken des Blutzuckerspiegels vorbeugen
- positive Effekte auf das Zentralnervensystem – Verminderung der zentralen Ermüdung
Viele Sportler konsumieren oft viel zu wenig Kohlenhydrate während der Belastung und laufen so Gefahr nicht ihr volles Potenzial auszuschöpfen und irgendwann kommt dann buchstäblich der Mann mit dem Hammer. Um dem entgegen zu wirken gibt es ein paar Richtlinien, die man beachten sollte:
Die empfohlene Zufuhrmenge
Dauer | Kohlenhydratmenge | Art der Kohlenhydrate |
---|---|---|
< 45min | Nicht notwendig (evtl. Mouth Rinse) | – |
45 – 75min | Geringe Mengen oder Mouth Rinse | Einfache und kombinierte Kohlenhydrate |
1 – 2,5h | ca. 30 – 60g/h | Einfache und kombinierte Kohlenhydrate |
> 2,5 – 3h | ca. 90 – 120g/h | nur kombinierte Kohlenhydrate |
Ähnlich wie bei der Ernährung vor der Belastung sollte man auch die Ernährung während der Belastung vorher im Training ausprobieren, um am Tag X nicht sein blaues Wunder zu erleben. Genau so wie man seine Muskulatur trainiert, kann man auch seine Verdauung trainieren.
Diese Richtwerte sind aber nicht für jedes Training von essentieller Bedeutung. Je nach Intensität und Trainingsziel kann die Menge variieren. Es wäre falsch zu glauben, dass man bei einem zweistündigen Grundlagentraining genau so viel Kohlenhydrate zuführen sollte wie bei einem zweistündigen Wettkampf.
Es gilt auch abzuwägen ob man mit einer Trainingseinheit zum Beispiel eher den Fettstoffwechsel (verminderte Kohlenhydratzufuhr )trainieren will oder die maximale Leistung bei einem Intervalltraining (erhöhte Kohlenhydratzufuhr) abrufen will.
Flüssig oder fest?
Aus praktischen Gründen werden vor allem bei kurzen Belastungen unter 2,5h vorwiegend flüssige Kohlenhydratlösungen empfohlen. Je nach Verträglichkeit und Außentemperatur sollten dabei alle 15-20min zwischen 150-350ml eines Getränks mit einem Kohlenhydratanteil von ca. 6% getrunken werden. Wer jedoch eher feste Nahrung bevorzugt, sollte allerdings genügend Flüssigkeit dazu aufnehmen. Vor allem bei längeren Belastungen scheint es keine Rolle zu spielen in welcher Form der Körper seine Energie verabreicht bekommt. Bei kurzen Belastungen macht es aber Sinn auf die schnellere Verfügbarkeit der Kohlenhydrate zu schauen.
Studien zeigen, dass bei kurzen Belastungen schon eine Mundspülung mit einer Zuckerlösung einen positiven Effekt auf die Zeitfahrleistung haben kann. Diese Steigerung wird durch die Anregung von Kohlenhydrat-Rezeptoren im Mund begünstigt.
Bis zu einer Menge von ca. 1g Kohlenhydrate pro Minute kann der Körper über reine Glukose oder Maltodextrin aufnehmen. Mehr ist nicht unmittelbar förderlich und kann in diesen beiden Formen so nicht oxidiert werden. Hierbei wird die Absorption im Dünndarm als limitierender Faktor angesehen.
Dazu bedarf es eines zusätzlichen Kohlenhydrattransporters. Durch die Kombination von Glukose und Fruktose können die Werte auf 1,5-1,7g/min gesteigert werden.
Kohlenhydrate in der unmittelbaren Nachbelastungsphase
Für eine rasche und komplette Wiederauffüllung der Kohlenhydratspeicher nach der Belastung und einer optimalen Einleitung des Regenerationsprozesses empfiehlt es sich unmittelbar nach dem Training/Wettkampf 1-1,2g Kohlenhydrate/kg Körpergewicht zuzuführen. Dies führt zu einer erhöhten Glykogenresynthesrate in der Nachbelastungsphase. Die erhöhte Aufnahmekapazität liegt vor allem an einer erhöhten Aktivität der Glut-4-Glukosetransporter und der Glukosesynthetase nach der Belastung. Nach dem ersten Fenster sollten zusätzlich pro Stunde 1-1,2g Kohlenhydrate/kg Körpergewicht zugeführt werden.
Allerdings ist dieses Fenster nur von Bedeutung wenn zwischen zwei Belastungen weniger als 8-10h Pause liegen. Wenn das Zeitfenster bis zum nächsten Training/Wettkampf größer ist und man in den darauffolgenden 24h genug Kohlenhydrate zuführt, hat dieser Effekt weniger Bedeutung.
Wichtig ist auch, dass man schnell verdauliche Kohlenhydrate mit hohem glykämischen Index wie zum Beispiel Weißmehl und Zucker wählt. Eine zusätzliche Gabe von Eiweiß zeigt wenig Einfluss auf die Resyntheserate der Speicher (vorausgesetzt die Menge der Kohlenhydratzufuhr stimmt), kann aber die Regeneration positiv beeinflussen. Wenn weniger als 1,2g Kohlenhydrate/kg Körpergewicht zugeführt werden, kann das Eiweiß die Glykogenspeicherung jedoch begünstigen.
Grundsätzlich gilt: flüssig vor breiig vor fest!
Nicht umsonst sieht man bei den großen Rundfahrten und Eintagesrennen, dass die Fahrer gleich nach dem Zieleinlauf ein Cola oder Ähnliches gereicht bekommen. Danach geht’s in den Teambus für einen Recovery-Shake, gefolgt von festem kohlenhydratreichen Essen. Wer also schnell wieder fit sein will und möglichst viel Reiz aus dem Rennen mitnehmen will, der verzichtet bewusst auf die 3 Liter Bier als Belohnung im Ziel (Alkohol wirkt sich ja bekanntermaßen negativ auf die Regeneration und auch auf die Wiederauffüllung der Speicher aus).
Natürlich muss man nicht nach jeder Trainingseinheit (und da werden uns wahrscheinlich viele Nahrungsergänzungsmittelhersteller widersprechen) einen Recovery-Shake zu sich nehmen. Nach „normalen“ Einheiten genügt es auch wenn man gleich zum Essen übergeht. Auch hier gelten wieder die oben genannten Richtlinien. Trinken nicht vergessen! Nach wirklich fordernden Trainingseinheiten oder wenn man nicht gleich was zu essen bekommt, macht es aber durchaus Sinn sich vorher flüssig zu ernähren, um den Körper nicht zusätzlich durch die Verdauung zu belasten bzw. genug Flüssigkeit zuzuführen.
Im folgenden Bild sieht man die Glykogenresynthese in der Muskulatur während der ersten 20-120min und nachfolgenden 120-240min:

hell: Beginn erst 2h nach der Belastung
Abschließende Worte
Die genannten Richtlinien unterliegen großen individuellen Unterschieden, sollen euch aber eine Idee vermitteln was es braucht, um das volle Potenzial aus Training und Wettkampf herauszuholen. Wir hoffen, dass wir euch so ein wenig auf eurem sportlichen Werdegang unterstützen können. Falls ihr zusätzlich an einer Leistungsdiagnostik interessiert seid oder Hilfe bei der konkreten Umsetzung eures Trainings braucht, könnt ihr uns gerne kontaktieren.
Für alle besonders Interessierten verlinken wir hier die wichtigsten Quellen: