Wer im Ausdauersport seine Leistung verbessern möchte, stößt unweigerlich auf die Begriffe Laktatschwelle (LT) und Individuelle Anaerobe Schwelle (IANS/MLSS). Sie bilden die Basis für wissenschaftlich fundierte Trainingssteuerung und liefern exakte Informationen über die individuelle Ausdauerleistungsfähigkeit.
In diesem Artikel erklären wir die physiologischen Hintergründe, die Messmethoden und die Trainingsanwendung dieser Schwellenwerte – detailliert und praxisnah.
Was ist Laktat und warum ist es wichtig?
Laktat entsteht als Nebenprodukt der anaeroben Glykolyse, also der Energieproduktion ohne ausreichende Sauerstoffzufuhr. Entgegen weit verbreiteter Mythen bedeutet die Laktatproduktion nicht zwingend Sauerstoffmangel, sondern ist ein natürlicher Mechanismus, um ATP schnell bereitzustellen.
Die Energiebereitstellung im Muskel erfolgt über drei Systeme:
- Oxidative Phosphorylierung (aerob, mit Sauerstoff) – sehr effizient, deckt lange Belastungen ab
- Glykolyse (anaerob, ohne Sauerstoff) – schnelle Energie, aber Laktatbildung
- Phosphatspeicher (Kreatinphosphat) – kurzfristige Energie für explosive Aktionen
Laktat erfüllt drei zentrale Funktionen im Körper: Erstens dient es als Energiequelle, zweitens fungiert es als Vorläufer für die Glukoneogenese, und drittens wirkt es auf Zellebene als Signalmolekül. Während die ersten beiden Funktionen den Körper kurzfristig auf Belastungssituationen vorbereiten, ermöglicht die dritte Funktion eine langfristige Anpassung an strukturelle und stoffwechselbezogene Veränderungen durch Training oder Belastung.
Die Laktatproduktion ist somit mehr als nur eine Reaktion auf körperlichen Stress – sie ist ein integraler Bestandteil des Mechanismus, der während der Muskelkontraktion aktiviert wird. Für die Anpassung an Belastungen spielen sowohl zellübergreifende („cell-to-cell“) als auch intrazelluläre Laktat-Shuttles eine entscheidende Rolle (Brooks et al., 2008).
Die Messung von Laktat im Blut liefert damit ein exaktes Bild der metabolischen Belastung und ist Grundlage der Laktat-Leistungsdiagnostik.
Weitere Infos zu Laktat findest du in diesem Artikel.
Das 3-Phasen-Modell der Energiebereitstellung
Die drei Phasen der Energiebereitstellung – wie Ihr Körper Energie gewinnt
Während einer stufenförmig ansteigenden Belastung kann die Energiebereitstellung
in drei Phasen unterteilt werden. Als Grundlage kann das 3-Phasen-Konzept von
Skinner und McLellan (1980) angesehen werden. Es finden sich eindeutig zwei Umstellpunkte, die von
Hofmann et al. (1997) als LTP1 und LTP2 beschrieben werden. Laut Definition ist der
LTP1 der erste Anstieg des Laktats über den Ruhewert und der LTP2 entspricht dem
MLSS.

Phase 1: Aerobe Energieversorgung – sanfter Start
Bei moderaten Belastungen erzeugen unsere Muskeln Energie überwiegend durch Sauerstoff. Kleine Mengen Laktat entstehen zwar, werden aber direkt in der Muskulatur abgebaut und gelangen nicht ins Blut. Sauerstoffaufnahme, Kohlendioxidabgabe und Ventilation steigen gleichmäßig. Diese Phase kennzeichnet den Bereich, in dem Ausdauertraining besonders effizient ist und der Körper lange Energie bereitstellen kann, ohne frühzeitig zu ermüden.
Phase 2: Aerob-anaerober Übergang – der Balance-Akt
Mit steigender Intensität nimmt die Laktatproduktion zu. Der Körper ist jedoch noch in der Lage, das Laktat ins Blut abzugeben und dort zu verstoffwechseln. Dieser Zustand, auch als maximaler Laktatsteady-state (MLSS) bekannt, markiert die anaerobe Schwelle und ist entscheidend für die Ausdauerleistungsfähigkeit. In dieser Phase arbeitet der Körper intensiv, hält aber ein Gleichgewicht zwischen Laktatproduktion und -abbau aufrecht.
Phase 3: Anaerobe Energieversorgung – das Limit erreichen
Wenn die Belastung über das MLSS hinausgeht, kann der Körper das anfallende Laktat nicht mehr vollständig abbauen. Die Blutlaktatkonzentration steigt exponentiell, der pH-Wert sinkt, und es kommt schnell zur Ermüdung. Hier dominiert die anaerobe Energiegewinnung, und die Belastung führt zu maximaler Beanspruchung.
Warum das Wissen um die Phasen wichtig ist
Dieses Dreiphasen-Modell gilt für alle – egal ob trainiert oder untrainiert, für Läufer, Radfahrer oder Handradfahrer. Es hilft, Trainingsintensitäten richtig einzuschätzen, die Ausdauer zu verbessern und die Leistungsfähigkeit gezielt zu steigern. Auch die moderne Forschung, wie die Laktat-Shuttle-Theorie, bestätigt dieses Modell und zeigt, dass Laktat nicht einfach nur „Abfallprodukt“ ist, sondern ein wichtiger Energielieferant und Regulator im Stoffwechsel.
Diese Einteilung bildet die Grundlage für Trainingssteuerung, Wettkampfplanung und die Bestimmung individueller Trainingsbereiche.
Laktatschwelle (LT) / Laktat-Turn-Point 1 – Die erste Schwelle
Definition und physiologische Bedeutung
Die Laktatschwelle (Lactate Threshold, LT) ist der Punkt, an dem die Laktatkonzentration im Blut erstmals messbar über den Ruhewert ansteigt. Sie wird auch als Anaerobe Schwelle nach Wasserman beschrieben (Wasserman et al., 1964, 1986; Beaver et al., 1985).
- Physiologisch: Ab der LT unterstützt der Körper die Energieversorgung zunehmend über anaerobe Mechanismen. Laktat wird gebildet, aber noch effizient abgebaut.
- Leistungsdiagnostisch: Die LT markiert den Übergang vom rein aeroben in den gemischt aeroben-anaeroben Bereich, ideal für Trainingssteuerung.
Historischer Hintergrund
Mitte des 20. Jahrhunderts prägte K. Wasserman den Begriff „Anaerobe Schwelle“. Ursprünglich wurde sie per Atemgasanalyse bestimmt:
- Bei steigender Belastung kam es zu einem Anstieg der CO₂-Produktion, der auf die zunehmende Laktatbildung und die Bicarbonatpufferung zurückzuführen ist.
- Diese Methode erlaubte, Schwellenwerte zu bestimmen, ohne maximale körperliche Ausbelastung der Probanden.
Messung der LT
Heute wird die LT über die Laktatmessung aus Kapillarblut ermittelt:
- Stufentest auf Laufband, Rad- oder Ruderergometer
- Belastungsstufen von 3–10 Minuten
- Blutentnahme am Ohrläppchen
- Analyse der Laktatkurve in Abhängigkeit zur Leistung
Trainingsanwendung: Training unterhalb der LT steigert die Grundlagenausdauer, fördert den Fettstoffwechsel und bildet die Basis für jedes Trainingskonzept.
Individuelle Anaerobe Schwelle (IANS) / Maximal Lactate Steady State (MLSS) / Laktat-Turn-Point 2 – Die zweite Schwelle
Definition
Die IANS oder MLSS ist die höchste Belastungsintensität, bei der die Laktatkonzentration über längere Zeit stabil bleibt.
- Maximal Lactate Steady State (MLSS): Gleichgewicht zwischen Laktatproduktion und -abbau
- Individuelle Anaerobe Schwelle (IANS): MLSS, dass aus Laktatkurven abgeschätzt wird
Jenseits dieser Intensität wird mehr Laktat produziert als eliminiert werden kann, was folglich zu einem kontinuierlichen Anstieg führt.
Diese Schwelle dient als idealer Bereich für dein Schwellentraining. Dieses ist ein zentraler Aspekt im berühmten „norwegischen Trainingsmodell„.
Messmethoden
Direkter MLSS-Test:
- Mehrere 30-minütige Belastungen
- Laktatmessung alle 5 Minuten
- MLSS = Intensität, bei der Laktat <1 mmol/L in den letzten 20 Minuten ansteigt
- Vorteil: sehr präzise
- Nachteil: zeitaufwendig
Indirekte Tests (Stufentest):
- Zum Beispiel: 3-Minuten-Stufen, +20 Watt bzw. +1km/h
- MLSS kann aus Laktatkurven abgeschätzt werden => IANS
FAQ: Laktattest, LT & IANS
1. Was ist der Unterschied zwischen LT und IANS?
- LT: Erster messbarer Anstieg von Laktat im Blut → ideal für Grundlagenausdauertraining
- IANS/MLSS: Höchste Intensität, bei der Laktat stabil bleibt → Training zur Leistungssteigerung
2. Wie oft sollte ein Laktattest gemacht werden?
- Je nach Trainingsziel 2–4 Mal pro Jahr, um Anpassungen und Fortschritte zu messen
3. Welche Sportarten profitieren von Laktattests?
- Laufen, Radfahren, Rudern, Triathlon, Schwimmen und weitere Ausdauersportarten
4. Was kann ich aus meinem Laktattest ableiten?
- die Erhebung deines Ist-Zustands
- Exakte Trainingsbereiche
- Stärken und Schwächen
- individuelle Trainingsempfehlungen
Fazit
Die Laktattests liefern exakte Daten über Laktatschwelle (LT) und Individuelle Anaerobe Schwelle (IANS/MLSS). Damit lassen sich Trainingsbereiche präzise steuern, Leistung steigern und Überlastung vermeiden. Wer seine Schwellenwerte kennt, trainiert effizienter, gezielter und nachhaltiger.
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Quellen
- Beaver WL, Wasserman K, Whipp BJ (1985). A new method for detecting anaerobic threshold by gas exchange. J Appl Physiol, 59: 2366–2372.
- Binder RK, Wonisch M, Corra U, Cohen-Solal A, Vanhees L, Saner H, Schmid JP (2008). Methodological approach to the first and second lactate threshold in incremental cardiopulmonary exercise testing. Eur J Cardiovasc Prev Rehabil, 15: 726–734.
- Brooks GA, et al. (2008). Cell–cell and intracellular lactate shuttles. Physiol Rev, 88: 933–969.
- Hofmann P, Pokan R, von Duvillard SP, Seibert FJ, Zweiker R, Schmid P (1997). Heart rate performance curve during incremental cycle ergometer exercise in healthy young male subjects. Med Sci Sports Exerc, 29(6): 762–768.
- Leitner H, Hofmann P, Leitner K (1992). Software zur Auswertung von Herzfrequenz und Laktatwerten in der Leistungsdiagnostik. Österr J Sportmed, 22: 115–118.
- Leitner H, Hofmann P, Leitner K (1994). Anwendung der Fuzzy Logik zur Schwellenbestimmung in der Leistungsdiagnostik. In: Liesen H, Weiss M, Baum M (Hrsg), Regulations- und Repairmechanismen. 33. Deutscher Sportärztekongress Paderborn 1993. Deutscher Ärzte Verlag, Köln, S. 197–199.
- Schwarz H. (2010). 3-Phasigkeit der Energiebereitstellung, Laktatturnpoints und deren Bedeutung für die Trainingssteuerung im Ausdauersport.
- Tschakert G, Hofmann P (2013). High-intensity intermittent exercise: methodological and physiological aspects. Int J Sports Physiol Perform, 8(6): 600–610.
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- Wasserman K, et al. (1964, 1986). Anaerobic threshold and gas exchange studies.